In den Neunzigern dachte ich, die Emanzipation wäre weit vorangeschritten.
Ahnungslos fühlte ich mich meinen männlichen Kollegen ebenbürtig, ohne zu wissen, dass ihr Gehalt viel höher ausfiel als meins.
Sorglos und voller Freude bekam ich ein Kind, nicht wissend, dass der Arbeitsmarkt Anfang der Zweitausender Jahre wenig Verwendung für Mütter mit kleinen Kindern und einem Halbtags Kindergartenplatz hatte. Akademiker/innen bewarben sie auf Assistentenstellen. Den Müttern, blieben meistens nur Minijobs, weit unter ihrer Qualifikation.
Hoffnungslos wurde ich, als das Scheidungsgesetz (2007) zu Ungunsten geschiedener Mütter geändert wurde man ihnen das Recht auf ein menschenwürdiges Leben nach einer Scheidung nahm und ihnen gleichzeitig suggerierte, es wäre nur zu ihrem Besten.
2022 denke ich, auch heute ist die Emanzipation nur zu 50% abgeschlossen.
Ja, Frauen sind frei. Sie können jeden Beruf ergreifen und ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten und verwalten, ohne Bevormundung durch Ehemänner oder den Staat und alles ist fast gut, bis zu dem Tag, an dem sie sich für ein Kind entscheiden. Richtig gut war es bis dahin nur, sofern die Frauen vor dem Kind dasselbe Gehalt wie ihre männlichen Kollegen erhalten haben, was immer noch nicht selbstverständlich ist.
Nach der Geburt des Kindes gibt es nur ein kleines Problem:
Ein Tag hat 24 Stunden. Für eine berufstätige Mutter müsste er mindestens 32 Stunden lang sein, denn Beruf, Liebe und Partnerschaft, Fürsorge, Erziehung, Care-Arbeit, Schönheitspflege, Sport, soziale Kontakte, Hausarbeit und nicht zuletzt ein wenig Erholung hier und da lassen sich nicht gleichmäßig auf einen Tag verteilen. Sie lassen sich hineinpressen, mit Abstrichen an vielen Stellen, hauptsächlich bei der Erholung.
Nicht jede Mutter hat die Lust und die Kraft über die Jahre der Kinder- oder Angehörigenbetreuung in Vollzeit arbeiten zu gehen. Für die eine Frau ist die Arbeit außer Haus eine Erfüllung, für die andere ein Fluch. Es muss individuelle Lösungen geben, die Frauen nicht automatisch in die totale Erschöpfung oder in die Altersarmut führen.
Diese Lösungen sollten NICHT heißen: Mehr Selbstoptimierung.
Eine Lösung sollte heißen: Mehr Verständnis, mehr Anerkennung und höhere Renten für die Betreuung, Liebe und Führsorge von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen.
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